Nur wenige Spiele-Entwickler hinterlassen auf die Gaming Community einen so großen Eindruck wie Shigesato Itoi. Mit seiner Mother-Trilogie, von der wir europäischen Spieler vermutlich eher den zweiten Teil der Reihe Earthbound kennen, schaffte er nicht nur in Japan den Durchbruch, sondern weltweit. Atlus und Eden Industries versuchen mit Citizens of Earth in seine Fußstapfen zu treten und quasi einen inoffiziellen vierten Teil der Mother Reihe zu produzieren. Ob dieser dem Vergleich zu seinen extrem lustigen Vorgängern standhalten kann, erfahrt ihr hier in diesem Test.
Zumindest in der Humor-Abteilung muss sich Citizens of Earth wahrlich nicht verstecken. Wenn man auf Übertreibungen und Sarkasmus steht, ist man hier gut aufgehoben. Als Vize-Präsident der Welt, der nach seinem ersten Tag im Amt schon wieder Urlaub braucht, startet man das Spiel im elterlichen Kinderzimmer. Ja richtig gelesen. Wir bekleiden zwar das Amt des VP, wohnen aber immer noch mit unserem ebenfalls erwachsenen Bruder bei Mami. Wir werden also von Mama geweckt und reisen ab sofort durch die angrenzende Nachbarschaft um Aufgaben mittlerer Dringlichkeit im Sinne des Gemeinwohls zu erledigen, wie zum Beispiel den Protest direkt vor unserer Haustüre beenden oder die seltsamen Ereignisse rund um das Moonbucks Café zu lösen.
Da sich der neu gewählte VP aber zu schade ist um selbst zu kämpfen, überredet und manipuliert er Bürger seines Wahlkreises sich ihm anzuschließen. Dieses Rekrutieren der Bürger ist immer in extrem witzigen, kurzen bis mittellangen Quests verpackt. Der ein oder andere Seitenhieb auf die westliche Politik inklusive. Obwohl unser Held VP ist, hat man während des Spiels den Eindruck, dass er eigentlich der unwichtigste Mensch der Welt ist. Mit seiner immensen Selbstüberschätzung und Naivität ist er zwar wirklich witzig und außerordentlich sympathisch, aber die rekrutierten Bürgern stehlen im phasenweise echt die Show. So kann man unter anderem die Mutter, den Bruder oder auch die Katzenlady und das Schulmaskottchen rekrutieren. Im Spiel stehen einem 40 Bürger zur Verfügung, die alle einzigartige Fähigkeiten und Persönlichkeiten vorweisen. Sämtliche Dialoge sind vertont und auch in den Cutscenes geben deine Helfer nur zu gerne ihre Meinung kund.
Deine Bürger sind aber nicht nur für den Witz im Spiel zuständig, sondern hauptsächlich für die rundenbasierten Kämpfe. Jeder Bürger hat individuelle, einzigartige Fähigkeiten, die man strategisch in den Kämpfen einsetzen sollte. Die Mutter hat z.B. die Möglichkeit mit Umarmungen Gruppenmitglieder zu heilen oder den Gegner mit Standpauken und Über’s Knie legen zu verwunden, der Psychologe kann andere mit Hypnose in den Schlaf versetzen und der Bäcker macht Gegner mit dem Nudelholz platt. Wie man sieht, mangelt es auch hier nicht an humorvollen Einlagen. Unser Team levelt, ähnlich wie bei Pokémon oder Ni no Kuni, regelmäßig durch Erhalt von EXPs auf und erhält so auch neue Fähigkeiten. Sein Team kann man jederzeit im Menü umstellen und so je nach Gegner eine andere Kampftaktik wählen. Variationen ohne Ende.
Auch wenn man bei der Team-Zusammenstellung eine Fülle an Optionen hat, so laufen die Kämpfe doch immer gleich ab. Sobald man einen Gegner in der Welt trifft, läuft man ihm eben rein oder versucht abzuhauen. Sollte man ihn umgehen wollen aber er ist doch schneller, kommt es auch zum Kampf und wir haben von Anfang an einen Minuspunkt bei der Verteidigung. Direkt im Kampf wird abwechselnd attackiert bist der Gegner oder unser Team besiegt wurde. Um starke Attacken ausführen zu können, muss der Energiebalken gefüllt werden. Um das zu schaffen führt man eine Reihe von schwachen Angriffen aus, bis die gewünschte Anzahl an blauen Balken zur Verfügung steht. So muss der Bäcker zum Beispiel drei Angriffe mit dem Nudelholz durchführen um dann die extrem starke Attacke Flambieren benutzen zu können. Außerhalb des Kampfs haben unsere Helfer auch zahlreiche Fähigkeiten. So kann das Schulmaskottchen den Schwierigkeitsgrad ändern, der Bäcker backt heilende Brötchen, der Lehrer levelt nicht aktive Teammitglieder auf und die Pilotin kann uns schnell mit ihrem Helikopter von A nach B bringen. Zu erwähnen ist auch noch, dass nicht alle Bürger rekrutiert werden müssen. Man kann genauso gut nur mit der Mutter, dem Bruder und einigen Hauptquest relevanten Bürgern die gesamte Story durchspielen. Aber damit würde man sich selbst ins Fleisch schneiden und auf das beste Feature von Citizens of Earth verzichten.
Die Gegner und auch die Bürger sind die witzigsten Dinger, die ich jemals gesehen habe. Unser Team tritt nicht etwa gegen Goblins, Orks oder dergleichen an, sondern gegen zeitgenössische Bedrohungen der Demokratie. Demonstranten, Kaffee Zombies, Computerviren, Achtungstafeln, übereifrige Polizisten und und und. Damit wären wir auch schon beim besten Punkt des Spiels angekommen: der phantasievollen, cartoon artigen Stilrichtung und Gestaltung von Citizens of Earth. Die ganze Grafik macht einen sehr guten Eindruck, jede Figur ist klar und schön gezeichnet und die Umgebung wirkt sehr detailliert. Gerade diese Lebendigkeit verleiht den Charakteren Tiefe und Persönlichkeit, und meiner Meinung nach fehlt gerade das bei vielen der größeren Spiele.
Jedes Gebiet, das man erkunden kann, ist völlig optional. Man sollte zumindest schon mal einen kurzen Blick darauf werfen, da sich in jedem Areal Side-Quests und rekrutierbare Bürger befinden. Leider kommen wir damit auch schon zum großen Minuspunkt: die Übersichtlichkeit der Quests und der Minimap. Gerade anfangs wird man mit Quests überschüttet und wenn man den Nintendo 3DS mal für einen Tag zur Seite legt, weiß man beim nächsten Mal schon gar nicht mehr was man für welchen Bürger zu erledigen hatte. So möchte der Verschwörungstheoretiker zum Beispiel, dass man ihm Beweise bringt. Dass dieses Beweise-Sammeln aber darauf hinausläuft, dass ich gegen drei Kaffeebohnen kämpfe, steht aber leider nirgends im Questbuch. Und so läuft man häufig einfach nur rum und versucht irgendwie zufällig doch den richtigen Gegner zu bekämpfen oder das richtige Item zu finden. Die Minimap ist leider auch viel zu vollgemüllt mit potenziellen Gegnern, Schatz-Locations und Questmarkern, dass irgendwann schlicht der Überblick fehlt. Der VP bekommt zwar anfangs von seinem Bruder ein Tablet geschenkt, das quasi als Menü für Items, Quests und Bürger dient, aber auch hier fehlen irgendwie die Übersicht und das leichte Handling. Das hätte man auch sicher etwas einfacher und übersichtlicher gestalten können. Nichtsdestotrotz hat es, zumindest bei mir, der Lust am Spiel keinen Abbruch getan.
Fazit
Citizens of Earth macht wirklich eine Menge Spaß! Vor allem der skurrile, bissige Humor und die niedlichen Charaktere machen den Titel zu einem Must-Have. Sämtliche Clichés wurden bedient indem alle Bürger kräftig durch den Kakao gezogen wurden, ähnlich wie bei den Simpsons oder Futurama. Nebenbei sammelt man wie bei Pokémon fleißig Bürger und levelt auf. Wer auf sowas steht, sollte auf jeden Fall zugreifen. Also für mich das optimale Nintendo Spiel. Lustig, leicht und unterhaltsam. Und auch mit zirka 10€ mehr als in Ordnung.
85 Wertung
Gameplay: 9/10
Grafik: 9/10
Sound: 8/10
Steuerung: 8/10
extrem lustig | schöne Grafik | interessante Charaktere
Minimap und Questbuch | auf Dauer langwierige Kämpfe