Raven’s Cry

Raven’s Cry

Vorweg hatte ich schon etwas Recherche zu Raven‘s Cry gemacht und das Resultat war echt mehr als fürchterlich: 1/10 oder 1/100 Bewertungen waren noch nett im Vergleich zu einigen Aussagen wie „das Spiel sei rassistisch, homophob, sexistisch und einfach nur widerlich“. Einige dieser Bewertungen fand ich aber jetzt nach langer Spielzeit mehr als lächerlich und einfach nur unfair. Denn Raven‘s Cry handelt nun mal von blutrünstigen Piraten. Dass da ab und zu mal ein etwas gröberer Umgangston herrscht, ist meiner Meinung nach nur realistisch. Wer also schon bei Begriffen wie „N**te“ oder „Schwu***el“ zusammenzuckt, der sollte eindeutig die Finger von Raven’s Cry lassen. Für alle anderen folgt hier nun mein ausführlicher Test zur PC Version.

Die Story handelt von Christopher Raven, der vor zig Jahren seine Familie verloren hat, sich jetzt als Pirat und Kapitän seiner eigenen Crew durchschlägt und nun endlich die Chance erhält seine Familie zu rächen. Tja, die Story gewinnt jetzt nicht gerade den Originalitätspreis, aber im Spiel selbst fügt es sich ganz gut ein. Zumindest dann, wenn man in den Quests überhaupt etwas Story oder tiefgründigere Dialoge erhält. Denn Christopher ist zwar Kapitän, aber im Spiel hat man mehr und mehr den Eindruck, er sei der Laufbursche der gesamten Karibik. Zahlreiche Inseln wollen befahren werden, unendlich viele Schiffe versenkt werden, bis die Story überhaupt erst mal ins Rollen kommt. Hat man dann endlich den Bösewicht erwischt, ist es auch schon wieder aus. Die Nebenquests können leider auch nicht wirklich überzeugen, zu eintönig und langweilig. Leider.

Apropos Schiffe versenken: bei Schiffkämpfen stehen einem unterschiedliche Munitionen zur Verfügung, die entweder den Rumpf, die Takelage oder die Crew beschädigt. Bei erfolgreichem Beschuss kann man das Schiff versenken oder das Lager plündern. Hier findet man vor allem Handelsgüter wie Tee, Rum oder Cannabis, die man dann im nächsten Hafen möglichst gewinnbringend verkaufen sollte. Von dem erhaltenen Geld kann man schließlich sein Schiff oder auch seine Rüstung und Waffen verbessern. Wobei das in diesem Spiel überhaupt nicht notwendig ist, da man so ziemlich alles im Lauf der Geschichte einfach so bekommt, oder bei gefallenen Gegnern aufheben kann.

Die Seeschlachten in Raven’s Cry, die leider nicht viel mit Assassin’s Creed 4: Black Flag gemeinsam haben, kosteten mir aber leider die letzten Nerven. Je nach Schiffsausbau kann man unterschiedlich viele Kanonen auf einmal abfeuern, ABER deine Crew braucht sooo unendlich lange zum Nachladen, dass man bis dahin selbst schon am Sinken ist. Hat man endlich mal ein Schiff versenkt, war das schon der volle Erfolg. Bei Quests, wo eine ganze Flotte auf einen zukommt, hab ich dann letztendlich das Handtuch geworden und einen Trainer benutzt. Jaja, Cheater. Aber jeder, der das Spiel gespielt hat, kann mich vielleicht etwas besser verstehen. Auch ist es extrem nervig, wenn man einfach nur von einer Inseln zur anderen fahren will um z.B. einen Händler aufzusuchen, und auf den Weg dorthin wird man schon wieder in ein Seegefecht verwickelt. Und diese Zufallsbegegnungen sind dann auch leider sowas von unnötig schwer gemacht, dass ich z.B. einmal gleich gegen sechs Schiffe gleichzeitig kämpfen musste. Trotz voll ausgebauter Galeone war ich binnen weniger Sekunden vernichtet. Muss das denn sein? Wenn schon aufgezwungene Kämpfe, dann bitte aber auch etwas halbwegs Erträgliches. Man kann zwar rein theoretisch aus Seeschlachten fliehen, aber nur dann, wenn genug Abstand zwischen dir und der feindlichen Flotte ist. Da das aber meistens nicht gegeben ist, ist es viel einfacher den Auto-Save vom letzten Hafen zu laden, was aber auf Dauer auch einfach nur auf die Nerven geht.

Die Crew will natürlich auch mit Proviant und Barem versorgt werden. Und da kommen wir leider auch schon wieder zum nächsten Problem bei Raven’s Cry. Um in diesem Spiel halbwegs an Geld zu kommen MUSS man das Handelssystem nutzen, was wiederum bedeutet, bei einer Handelsfahrt wieder in unzählige Seegefechte verwickelt zu werden. Um bei dieser aber als Gewinner rauszukommen, muss man das Schiff ausbauen. Um das Schiff auszubauen, braucht man Geld. Ihr seht also das Problem. Und mit einer Handelsfahrt ist es dann auch nicht getan. Zwar kann man auf der Karte gut sehen, wo man welche Waren am gewinnbringendsten verkaufen kann, aber da müsste man schon mehrere Stunden investieren um wirklich mal einen vollen Geldbeutel zu haben, was wiederum für mich kein Piraten-RPG ausmacht. Da kann man dann gleich die Patrizier spielen.

Aber jetzt mal genug von den Seeschlachten. Raven’s Cry hat viele gut designte Städte und Inseln zu bieten. Und jetzt kommt wieder das große ABER: die Performance ist wirklich das Letzte. Trotz mehr als ausreichender Systemanforderung musste ich die Grafik-Settings derart runterfahren, dass ich schon kurz vorm Nervenzusammenbruch war. Im Benchmark Test kamen mir dann wirklich fast die Tränen: nicht mal die niedrigsten Einstellungen sollten bei mir möglich sein, die Auflösung sollte ich runterfahren und einfach alles ausschalten, was möglich ist. Die Frage ist jedoch, was da bitte so anspruchsvoll sein soll. Denn die Städte sind rar besiedelt, keine Tiere, etwas Grünzeug und das war es dann auch schon. Ein paar versteckte Truhen, die zu finden sich aber nie gelohnt hat, und eine Handvoll interaktive Charaktere.

Die bei Steam groß angepriesenen moralischen Entscheidungen sucht man leider auch vergebens. Wer auf sowas wie bei Mass Effect oder Dragon Age gehofft hat, wird hier derbe enttäuscht werden. Das höchste an Gefühlen war dann schon die Entscheidung, ob man einem Crew Mitglied helfen möchte oder nicht. Da die Crew sowieso eine anonyme Masse bleibt, kann man hier genauso gut auf „Nein“ klicken, da es einem ziemlich egal sein kann was mit Hans und Franz oder wem auch immer passiert. Von den unzähligen Geheimnissen und Aktivitäten auf den Inseln konnte ich leider auch nichts entdecken, aber vielleicht ist gerade das das große Geheimnis. Denn bis auf ein Minispiel in der Taverne gibt es echt nichts zu tun. Außer dem Fraktionssystem, dass sich leider auch nichts bringt außer einer Flagge fürs Schiff, konnte ich nichts von den angekündigten Features im Spiel entdecken. Wirklich Schade, aber Reality Pump hat sich mit Raven’s Cry einfach viel zu viel vorgenommen.

Das Kampfsystem kann leider auch die vorangegangenen Mängel nicht ausmerzen. Zwar bietet es etwas Innovation mit Spezialattacken wie Stieftritt oder Konterattacken, aber im Grund genommen reicht es schon wie ein wilder mit der linken Maustaste die Gegner zu verkloppen. Ausweichen muss man auch so gut wie gar nicht, nur sollte jemand mit Fernwaffen auf euch losgehen, würd ich schleunigst das Weite suchen. Denn da kann man bereits nach einem Schuss schon das Zeitliche segnen. Also besser Rückzug und jeden einzeln attackieren. Wir können zwar auch auf eine Pistole zurückgreifen, nur muss man die nach jedem Schuss wieder mühselig laden und das frisst während der Kämpfe auch immens viel Zeit. Es gibt zwar auch einen Talentbaum, bei dem pro Level-Up zwei Talentpunkte vergeben werden können, nur sind das dann eher Talente für die Seeschlachten oder die Lagerkapazität, das Kampftalent von unserem Kapitän Christopher wird nur ganz wenig verbessert.

Fazit

Ja, ich würde hier wirklich gerne noch etwas Positives einwerfen. Aber ich kann nicht. Das Spiel ist einfach zu durchwachsen, um etwas Gutes abliefern zu können. So sind einfach verschiedene Genres ins Spiel gemischt worden und das fügt sich nicht zusammen. Etwas Handelssimulation hier, etwas Strategiekämpfe da, und als Zuckerguss noch ein paar RPG Elemente drauf. Aber so geht das einfach nicht. Schön wär’s, aber Raven’s Cry ist einfach viel zu überambitioniert und dann nicht zu Ende gedacht worden. Am Lobenswertesten finde ich da immer noch die Vertonung, zumindest bei der deutschen Sprachausgabe.

Aber wer ein richtiges Piratenabenteuer spielen möchte, muss wohl oder übel auf Risen 2, Black Flag oder auf Sid Meier’s Pirates zurückgreifen. Denn trotz riesigem Patch ist Raven’s Cry immer noch sehr verbuggt. Den Kaufpreis von knappen 55€ für die PC Version bzw. 70€ für die PS4, kann man sicher auch in etwas Besseres investieren.

55 Wertung

Gameplay: 2/10

Grafik: 7/10

Sound: 7/10

Steuerung: 6/10

Vertonung

Seeschlachten | laaangweilige Quests | zu viele Genres in einem Spiel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.